Heidelberger Institut für systemische Forschung e.V.

1990 wurde das Heidelberger Institut für systemische Forschung von Mitarbeitern des Institutes für psychoanalytische Grundlagenforschung und Familientherapie der Psychosomatischen Universitätsklinik Heidelberg (damaliger Direktor: Prof. Dr. Helm Stierlin) mit dem Ziel gegründet, auch nach der anstehenden Emeritierung von Helm Stierlin (1991), systemischem Denken und systemischer Forschung einen Ort zu geben, um sie über das therapeutische Feld hinaus zu tragen. Seit Anfang der 90er Jahre wurden über das Heidelberger Institut die Prinzipien systemischen Denkens auf Organisationen übertragen und für Organisationsberatung, Organisationsentwicklung und Coaching im Businesskontext fruchtbar gemacht. 1991 hat das Heidelberger Institut das erste Curriculum in „Systemischer Beratung“, wenige Jahre später, in „Systemischem Coaching“ für den Businesskontext angeboten. In den letzten 27 Jahren Zeit wurden nicht nur Forschungsprojekte gefördert (aktuell: www.ambivalenz-weiter-denken.de, zusammen gefördert vom Exzellenz-Cluster der Universität Konstanz) und Burnout-Forschung (vgl. Elena Linden & al., 2016).

Das Institut vergibt in unregelmäßigen Abständen den mit 10.000 Euro dotierten Gregory-Bateson-Preis. 2002 wurde er an den Biokybernetiker Prof. Dr Heinz von Foerster (USA), 2005 an den Psychologe Prof. Dr. Ernst von Glasersfeld verliehen.

Das Heidelberger Institut hat neben vielen richtungsweisenden Kongressen (so: Das Ende der großen Entwürfe und das Blühen der systemischen Praxis, 1991) auch mehrere Managementkongresse veranstaltet, um systemisches Denken in Wirtschaft und Politik zu tragen. Heute ist der Begriff „systemisch“ und mit ihm das systemtheoretische Denken nicht nur in den Psy-Wissenschaften sondern auch aus den politischen Diskursen (man denke an 2008 und die „systemrelevanten“ Banken) nicht mehr wegzudenken.

Ein wichtiger Beitrag, die Entwicklungen aus System- und Selbstorganisationstheorie in den Managementkontext zu bringen, bestand in der Tagung ,Selbstorganisation und Konstruktivismus im Management‘ (1994) und den daran sich anschließenden Entwicklungen.

Eine Übersicht über die Entwicklung systemischen Denkens seit 1976 und den Beitrag der Familiendynamik, der größten europäischen Fachzeitschrift für systemische Forschung und Praxis, finden Sie in dem kleinen Buch ,Hahnenschrei systemischer Vernunft‘ (als E-Book kostenlos hier herunter zu laden)

Frühere Kongresse

2016: Die Kraft des Zweifelns

Systemisches Denken hinterfragt die gewohnten Weisen, die Welt zu sehen. Getragen von der Einsicht, dass all unser Wissen nur relativ zu unseren Bezugssystemen gilt, stellte systemisches Denken tradierte Gewissheiten in Wissenschaft, Gesellschaft und alltäglichem Handeln in Frage. So lädt systemische Theorie zur Skepsis gegenüber vermeintlich sicherem Wissen ein und zeigt zugleich, dass eine solche Haltung mit einer gelingenden Handlungspraxis einhergehen kann.

Am pointiertesten zeigte sich der Unterschied zu anderen Positionen in den 1980er-Jahren im Umgang mit psychischen Abweichungen. Heftig wurde darüber gestritten, ob es sinnvoll ist, diese als „krank“ zu bezeichnen. Heute sind diese Debatten verstummt. Die kritische, selbstreflexive Haltung ist aus dem Denken weitgehend verschwunden, gesellschaftliche Reflexionssperren greifen um sich. Sie verhindern das Weiterdenken, weil sie mit Begriffen operieren, die man nicht mehr zu hinterfragen wagt: „Diagnose“, „Erfolg“, „Defizit“, „Gewinn“, „Effizienz“, „Evidenz“ und viele mehr.

Kaum merklich werden auf diese Weise die Denk- und Handlungsräume kleiner, in denen wir uns bewegen. So wird beispielsweise die Existenz psychischer Krankheiten als nicht mehr zu hinterfragendes Faktum gesehen, es wird eher danach geforscht, wo im Gehirn sie genau zu lokalisieren sind. Ebenso unmerklich gerät der Begriff „systemisch“ – auch durch seine Inflationierung – in diese unhinterfragbaren Sphären. Organisationsberatungen haben längst bemerkt, wie gut sich der Zusatz „systemisch“ verkauft. Inzwischen wurde auch der Systemischen Therapie das Etikett der „wissenschaftlich anerkannten“ Wirksamkeit verliehen. Im Rahmen des Symposions fragten wir, ob diese Entwicklungen dazu führen, dass allein der Verweis auf „abgesicherte“ Methodik ein Nachfragen erübrigt? Des Weiteren leuchteten wir aus, ob es der systemischen Therapie ähnlich ergehen wird wie der Verhaltenstherapie, die in den 1960er und 70er Jahren einmal mit einem sozialwissenschaftlichen Modell psychischer Störungen angetreten war, von dem heute aber keiner mehr spricht.

Referenten: Agnes Heller, Allen Frances, Jürgen Kriz, Jochen Schweitzer, Maja Storch, Heinz K. Stahl, Josef Mitterer, Bernhard Pörksen, Heiner Keupp, Jonathan Rée, Jürgen Straub, Harald Welzer, u.a.
Wissenschaftliche Leitung: Hans Rudi Fischer, Ulrike Borst und Arist von Schlippe

 

2012: Wie kommt Neues in die Welt?
Systemisch weiter denken…

21 Jahre nach dem Kongress „Das Ende der großen Entwürfe und das Blühen systemischer Praxis“, gingen wir mit renommierten Experten aus Kreativitätsforschung, Psychologie, Philosophie, Humanwissenschaften, Kunst und Psychotherapie der Frage nach, wie Neues in die Welt kommt. Im Mittelpunkt stand der interdisziplinäre Dialog über das Verständnis von Schöpfungskraft, Kreativität und Innovationsfähigkeit in Wissenschaft und Kunst. Die Bedeutung dieses Dialoges für die Praxis in Therapie und Beratung, in Teams, Organisationen und Gesellschaften wurden in Vorträgen, Workshops und einem anspruchsvollen Kulturprogramm ausgelotet. Der Kongress war ein Forum, systemisches Denken und Handeln weiter zu entwickeln, um es vor Beliebigkeit oder dogmatischer Erstarrung zu bewahren und die Früchte des systemischen Diskurses in verschieden Feldern kritisch zu reflektieren.

Referenten: Rudi Ballreich,, Ricarda B. Bouncken, Clement Ulrich, Jürgen Kriz, Gunther Schmidt, Jochen Schweitzer, Maja Storch, Arist v. Schlippe, Gunthard Weber, Brodbeck Karl-Heinz, Elena Esposito, Oskar Negt, Ortmann Günther, Heinz K. Stahl, Hans Geisslinger,
Joachim Funke, Thomas Macho, Klaus Mainzer, Josef Mitterer, Birger Priddat, Francesca Rigotti, Gerald Hüther, Eckart Runge, Franz Schuh, Peter Weibel
Wissenschaftliche Leitung: Hans Rudi Fischer
Publikation: Fischer, H.R. (Hrsg). Wie kommt Neues in die Welt? Phantasie, Intuition und der Ursprung von Kreativität. Velbrück/Weilerswist, 2013.

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2005:  Gregory-Bateson-Preis des Heidelberger Institutes für systemische Forschung für Prof. Dr. Ernst von Glasersfeld

Laudatio Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt, überreicht von Hans Rudi Fischer, Vorsitzender des Heidelberger Institutes für systemische Forschung e.V. Mehr Informationen finden Sie hier.

 

2005: Die Wirklichkeit der Metapher

Referenten: Marco Bettoni, Michael B. Buchholz, Hans Rudi Fischer, Joachim Funke, Peter Gasser-Steiner, Ernst von Glasersfeld, Mark L. Johnson, Steve Lankton, Andreas Liebert, Josef Mitterer, Arnold Retzer, Francesca Rigotti, Rudolf Schmitt
Wissenschaftliche Leitung: Hans Rudi Fischer

 

2002: Eine Rose ist eine Rose ist… Rolle und Funktion von Metaphern in Wissenschaft, Therapie und Beratung

Referenten: Michael Buchholz, Göttingen, Ulrich Clement, Heidelberg, Bernhard Debatin, Ohio/USA, Hinderk Emrich, Hannover, Hans Rudi Fischer, Joachim Funke, Heidelberg, Jochen Hörisch, Mannheim, Andreas Liebert, Trier, Detlef Linke, Bonn, Sabine Maasen, Basel, Sepp Mitterer, Univers. Klagenfurt/Österreich, Bernhard Pörksen, Hamburg, Falk Poessnecker, Hamburg, Arnold Retzer, Heidelberg, Francesca Rigotti, Lugano, Steve de Shazer, Milwaukee/USA, Harald Strohm, Sigmarszell, Peter Weingart, Bielefeld

Wissenschaftliche Leitung: Hans Rudi Fischer
Publikation: Fischer, H.R. (2005). Eine Rose ist eine Rose… Zur Rolle und Funktion von Metaphern in Wissenschaft und Therapie. Velbrück/Weilerswist.

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2002: Gregory-Bateson-Preis für Heinz von Foerster

Mehr Informationen erhalten Sie hier.

 

1998: Weisen der Welterzeugung. Die Wirklichkeit des Konstruktivismus II.

Referenten: G. Abel, L. Ciompi, E.v. Glasersfeld, P. Janich, J. Kriz, T. Luckmann, J. Mitterer, Hilary Putnum, (USA), Kersten Reich, Gerhardt Roth, Gunther Schmidt, Jochen Schweitzer, Steve de Shazer, F. B. Simon, Wolf Singer, Helm Stierlin, Gunthard Weber, W. Welsch, H. White
Wissenschaftliche Leitung: Hans Rudi Fischer
Publikation: Fischer, H.R., Schmidt, S.J. (2000). Wirklichkeit und Welterzeugung. Heidelberg.

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1996: Science-Fiction. Fundamentalismus und Beliebigkeit in Wissenschaft und Therapie.

Referenten: Dirk Baecker, G. Böhme, H.v. Foerster, N. Luhmann, E.v. Glasersfeld, H. Maturana, D.B. Linke, O. Breidbach, H.M. Emrich, H. Stierlin, u.a..
Konzeption und wissenschaftliche Leitung: H.R. Fischer, A. Retzer, F.B. Simon, G. Weber

 

1994: Konstruktivismus und Management

Am Ende unseres letzten Jahrhunderts zeichnete sic in vielen Wissensbereichen ein Ende der großen Entwürfe ab. In nie gekanntem Ausmaß brachen große, unter zweckrationalen Gesichtspunkten zusammengefasste Einheiten zusammen. Der Glaube an die unbegrenzte Steuer- und Planbarkeit von technischen und sozialen Prozessen war verloren gegangen. Die damalige Krise der Wirtschaft zeigte diesen Prozess in dramatischer Weise. Wir standen an einem Wendepunkt: fundamentale Veränderungen in den Organisationsformen und der Arbeitswelt zeichneten sich ab. Die MIT-Studie „Die zweite Revolution in der Autoindustrie“ hatte gezeigt, dass die tradierten Organisations- und Managementformen des Westens langfristig nicht überlebensfähig waren. Es ging um einen chancenreichen Paradigmenwechsel, der völlig neue Perspektiven in der Steuerung und Organisation von Unternehmen eröffnete. Vor diesem Hintergrund boten die Leitideen systemischen Denkens wie Selbstorganisation und Konstruktivismus eine neue Orientierung für das Management.

International renommierte Wissenschaftler, Manager und Brater haben auf diesem Kongress im interdisziplinären Dialog sowohl die Fruchtbarkeit dieser Konzepte für die Managementpraxis ausgelotet als auch Leitlinien und Trends des systematischen Managements der Zukunft formuliert.

Referenten: Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld, Ervin Laszlo, Gilbert Probst, Paul Watzlawick, Birger Priddat, P. Heintel, F.B. Simon u.a.
Wissenschaftliche Leitung: Hans Rudi Fischer

 

1992: Die Wirklichkeit des Konstruktivismus. Wie kommt Wirklichkeit zustande?

Referenten: O. Breibach, N. Luhmann, G. Vollmer, Gerhard Roth, Jürgen Kriz, C.F. Graumann, Helm Stierlin, Steve de Shazer, N. Groeben, E. von Glasersfeld, John H. Weakland, u.v.a.
Wissenschaftliche Leitung: Hans Rudi Fischer
Publikation: Fischer, H.R. (Hrsg). Die Wirklichkeit des Konstruktivismus. Heidelberg, 1994, 2. Aufl. 1995.

 

1991: Das Ende der großen Entwürfe und das Blühen systemischer Praxis

1991 war die Zeit, in der „systemisch“ noch systematisch falsch geschrieben wurde – weil das Adjektiv noch ziemlich unbekannt und unverstanden war. Es sollte noch viele Jahre dauern, bis die ersten Lehrbücher in „systemischer“ Therapie erschienen und systemische Therapie wissenschaftliche anerkannt wurde. Vor diesem Hintergrund war der damalige Kongress anlässlich der Emeritierung von Helm Stierlin ein Meilenstein, mit dem eine wichtige Etappe der Entwicklung systemischen Denkens markiert wurde. Neben berühmten Philosophen, System- und Selbstorganisationstheoretikern wurden auch Pioniere des systemischen Denkens aus allen Teilen der Welt eingeladen, um ihre Konzepte und therapeutische Praxis zur Diskussion zu Stellen. Weit mehr als 2000 Teilnehmer aus ganz Europa waren der Einladung gefolgt.

Referenten: Fritjof Capra, Gernot Böhme, E.I. Black, Carl Friedrich Graumann, Niklas Luhmann, D.B. Linke, Jürgen Kriz, H. Maturana, Kenneth Gergen, P. Watzlawick, H. von Foerster, E. von Glasersfeld, Steve de Shazer, M. Selvini-Palazzoli, Joseph Weizenbaum, Zygmunt Baumann, F. Varela, S.J. Schmidt, H. Stierlin, W. Welsch, u.v.a.
Wissenschaftliche Leitung: H. R. Fischer, A. Retzer und J. Schweitzer
Publikation: Fischer, H.R., Schweitzer, J. und Retzer, A. (1992). Das Ende der großen Entwürfe. Frankfurt: Suhrkamp. Fischer, H.R., Schweitzer, J. und Retzer, A. (1993). Systemische Praxis und Postmoderne. Frankfurt: Suhrkamp. Übersetzung ins Spanische: Sobre el final de los grandes proyectos. In H.R.Fischer et al., El final de los grandes proyectos. Barcelono 1997, Gedisa.

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